Empfehlungen für ein Gesamtkonzept zur informatischen Bildung an allgemein
bildenden Schulen
Erarbeitet vom Fachausschuss 7.3
"Informatische Bildung in Schulen" der Gesellschaft für Informatik
e.V.
Präambel
Die Empfehlung richtet sich an
Entscheidungsträger, die mit der Planung und Umsetzung von schulischer Bildung
befasst sind und an Informatiklehrerinnen und -lehrer allgemein bildender
Schulen. Darauf abgestimmte Empfehlungen für die berufliche Bildung folgen in
einem nachfolgenden Dokument.
Unsere Gesellschaft befindet sich an
der Schwelle des Übergangs von der Industriegesellschaft zur Informations- und
Wissensgesellschaft, in der aus Information generiertes Wissen zum
entscheidenden Produktionsfaktor wird. Die Vernetzung der weltweit angelegten Informationsquellen
durch das Internet führt dazu, dass die global verteilte Information
prinzipiell für jeden Menschen, zu jeder Zeit und an jedem Ort verfügbar ist
und dass jeder sein individuelles Wissen durch Aneignung und Verarbeitung der
Information selbst erweitern kann. Dazu werden in zunehmendem Maße Werkzeuge in
Form von Informatiksystemen benötigt, ohne die die Fülle an Information schon
heute nicht mehr zu bewältigen ist. Der Informatik als Wissenschaft kommt dabei
eine Schlüsselrolle zu, da sie systematisch Möglichkeiten der automatischen
Informationsverarbeitung und Wissensrepräsentation untersucht und in
Informatiksystemen nutzbar macht.
Aufgabe der allgemein bildenden Schule
muss es sein, allen Schülerinnen und Schülern unabhängig von ihrem Geschlecht,
ihrer Herkunft und ihren sozialen Verhältnissen einen gleichberechtigten Zugang
zu informatischen Denk- und Arbeitsweisen und modernen Informations- und
Kommunikationstechniken zu öffnen, informatische Bildung zu vermitteln und
damit auch auf lebenslanges Lernen, d. h. auf die Möglichkeiten der ständigen
Wissensreorganisation, vorzubereiten.
Informatische Bildung ist das Ergebnis
von Lernprozessen, in denen Grundlagen, Methoden, Anwendungen, Arbeitsweisen
und die gesellschaftliche Bedeutung von Informatiksystemen erschlossen werden.
Dazu trägt insbesondere der Informatikunterricht in den Sekundarstufen I und II
bei. Unterrichtsangebote, in denen interaktive Informatiksysteme als Werkzeug
und Medium in anderen Fächern eingesetzt werden, gehören nur dann zur
informatischen Bildung, wenn informatische Aspekte bewusst thematisiert werden.
In allen Phasen der informatischen Bildung stellt die Informatik die
Bezugswissenschaft dar.
Das vorliegende Gesamtkonzept betont
die Vermittlung von Hintergrundwissen in allen Phasen der informatischen
Bildung, von der einfachen Anwendung eines Computers bis zur eigenen Gestaltung
von Anwendungen. Es steht damit im Gegensatz zu den gescheiterten Konzepten der
integrierten informationstechnischen Grundbildung und kontraproduktiven
Konzepten wie z. B. einem “Internet-Führerschein” oder einer “Bürgerinformatik”,
die sich meist auf oberflächliche Bedienungsfähigkeiten durch die Schulung in
der Handhabung einer bestimmten Version irgendeines Software-Produkts
reduzieren. Die Forderungen nach einem Pflichtfach Informatik in der
Sekundarstufe I sind aktueller denn je, weil andere Formen der Einbeziehung von
Inhalten der Informatik die beklagten Defizite offensichtlich nicht beseitigt
haben. Die Präzisierung und Abstimmung von Bildungszielen und -inhalten
zwischen der Sekundarstufe II und der Sekundarstufe I ist eine folgerichtige
Konsequenz.
Mit diesem Gesamtkonzept wird die Linie
der GI-Empfehlungen, die 1976 und 1993 zum Informatikunterricht in der
Sekundarstufe II und 1986 zum Informatikunterricht in der Sekundarstufe I
zeitgemäße Orientierungshilfen darstellten, durch eine erweiterte Sicht auf die
informatische Bildung aller Stufen aktualisiert. Es ergänzt zudem die
GI-Empfehlung “Informatische Bildung und Medienerziehung” vom Oktober 1999, die
sich vor allem mit informatischer Bildung außerhalb des eigentlichen
Informatikunterrichts und dem Beitrag des Informatikunterrichts zur
Medienerziehung beschäftigte.
Die GI-Empfehlungen zur Ausbildung von
Informatiklehrkräften von 1998 werden insofern verstärkt, als dieses
Gesamtkonzept als weitere Konsequenz den Bedarf an qualifizierten Lehrerinnen
und Lehrern mit solider Informatikausbildung deutlich erhöht.
1. Ausgangslage
In der Informations- und
Wissensgesellschaft spielen komplexe Informatiksysteme eine wachsende Rolle im
täglichen Leben und verändern in zunehmendem Maße die Arbeits- und Lebensweise
der Menschen. Ein erheblicher Teil der Erwerbstätigen leistet bereits heute
Aufgaben, die schwerpunktmäßig mit automatischer Informationsverarbeitung
verknüpft sind. Ein Ausfall der Informatiksysteme (z. B. im Reiseverkehr oder
Finanztransfer) wird dabei als gravierende Beeinträchtigung empfunden. Weniger
spektakulär, aber individuell nachhaltiger, ist der durch mangelnde informatische
Bildung verursachte Ausschluss vom kompetenten Umgang mit Information und
Informatiksystemen, der die aktive und selbstbestimmte Gestaltung des
gesellschaftlichen Lebens stark einschränkt.
Der Umgang mit digital dargestellter
Information und die Beherrschung von Informatiksystemen stellen folglich
unverzichtbare Ergänzungen der traditionellen Kulturtechniken Lesen, Schreiben
und Rechnen dar. Dazu gehören:
die
Beschaffung von Information,
die
Darstellung von Information in maschinell verarbeitbaren Zeichen (Daten),
die
maschinelle Verarbeitung und Verteilung der Daten und
die Gewinnung
neuer Information durch Interpretation der gewonnenen Daten, die zusammen mit
dem Vorwissen zu neuem Wissen führt
Niemand würde erwarten, dass die
Beherrschung der traditionellen Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen “von
selbst” nebenbei in anderen Fächern erlernt wird. Ebenso müssen bewusst auch
die Grundlagen dieser neuen Kulturtechnik im Rahmen des vorfachlichen
Unterrichts schon in den Jahrgangsstufen 1 bis 4 gelegt und später in einem
eigenen Fach vertieft werden.
2. Leitlinien
Die hier charakterisierte informatische
Bildung orientiert sich an den nachstehenden Leitlinien:
Interaktion
mit Informatiksystemen,
Wirkprinzipien
von Informatiksystemen,
Informatische
Modellierung,
Wechselwirkungen
zwischen Informatiksystemen, Individuum und Gesellschaft.
Die unter diesen Leitlinien
strukturierten Kenntnisse und Fertigkeiten werden auf unterschiedlichem Niveau
in der Primarstufe, in der Sekundarstufe I und in der Sekundarstufe II
erworben, wobei stets an die Lebenswelt der Lernenden anzuknüpfen ist.
Interaktion mit Informatiksystemen
Um die Fülle der Information, die uns
mittlerweile weltweit zur Verfügung steht, bewältigen zu können, werden
Strategien gebraucht, die sich auf ein, von den Fähigkeiten und Fertigkeiten
des Einzelnen abhängiges, i n t e r a k t i v e s Handeln mit Informatiksystemen
beziehen. Diese Interaktion ist es, die den Umgang mit Informatiksystemen erst
zu einer neuen Kulturtechnik macht.
Die Schülerinnen und Schüler eignen
sich einen Vorrat an Grundstrategien und -methoden an, um Information zu
beschaffen, zu strukturieren, zu bearbeiten, aufzubewahren und
wiederzuverwenden, darzustellen, zu interpretieren, zu bewerten und zu
präsentieren. Sie lernen, in lokalen und globalen Informationsräumen zu
navigieren und zu recherchieren, sich selbstständig und kreativ in die
Gestaltungsmöglichkeiten mit Informatiksystemen einzuarbeiten und zur Lösung
von Problemen adäquate Werkzeuge auszuwählen und anzuwenden. Dabei erarbeiten
sie auch Kriterien der menschengerechten Gestaltung von Informatiksystemen.
Wirkprinzipien von Informatiksystemen
Die Schülerinnen und Schüler verstehen,
wie Informatiksysteme aufgebaut sind, nach welchen Funktionsprinzipien ihre
Systemkomponenten zusammenwirken und wie diese sich in größere
Systemzusammenhänge einordnen lassen. Das trägt zur Entmystifizierung von Informatiksystemen
und ihrer Anwendung bei.
Dazu lernen sie grundlegende Ideen und
Konzepte (wie z. B. die Digitalisierung und die Kodierung, die universelle
Maschine), die Wirkungsweise wichtiger Bestandteile heutiger Informatiksysteme
(z. B. Prozessor, Speicher, Netze), Prinzipien, Verfahren und Algorithmen
(beispielsweise Suchverfahren) und den prinzipiellen Aufbau komplexerer
Basissysteme (beispielsweise Betriebssysteme, Datenbanksysteme, Netzsoftware)
kennen. Dabei nutzen sie auch Strategien zur Lösung komplexer Probleme und
erfahren die individuelle Stärkung des Menschen durch die Automatisierung
geistiger Tätigkeiten.
Informatische Modellierung
Im Informatikunterricht bedeutet “Modellierung”
im wesentlichen die Abgrenzung eines für den jeweiligen Zweck relevanten
Ausschnittes der Erfahrungswelt, die Herausarbeitung seiner wichtigen Merkmale
unter Vernachlässigung der unwichtigen sowie seine Beschreibung und
Strukturierung mit Hilfe spezieller Techniken aus der Informatik. Informatische
Modelle spielen bei der Konstruktion und Analyse von Informatiksystemen die
Rolle von Bauplänen. Die Schülerinnen und Schüler verstehen, dass jedes
Informatiksystem als Kombination von Hard- und Software-Komponenten das
Ergebnis eines informatischen Modellierungsvorgangs ist, das nach seiner
Fertigstellung als Bestandteil der realen Welt mit allen Eigenschaften eines
unvollständigen, künstlichen Systems wirkt. Sie kennen informatische
Modellierungstechniken und können sie zur Beschreibung der Struktur von
Informatiksystemen und zur Lösung komplexerer Probleme anwenden. Die bei der
Analyse von Informatiksystemen kennen gelernten Modellierungstechniken
ermöglichen den Schülern dabei auch ganz allgemein die Strukturierung
umfangreicher Datenbestände und die Orientierung in komplexen
Informationsräumen. Soweit möglich sollten alle im Unterricht erstellten
Modelle auch mit Hilfe geeigneter Informatiksysteme simuliert werden.
Wechselwirkungen zwischen Informatiksystemen, Individuum und Gesellschaft
Erst durch die Kenntnis von
Voraussetzungen und Folgen, Chancen und Risiken des Einsatzes komplexer
Informatiksysteme werden Schülerinnen und Schüler in die Lage versetzt, sich
verantwortungsbewusst an der Gestaltung und am Einsatz dieser Technologie zu
beteiligen und ihre Zukunft menschengerecht zu gestalten. Dazu setzen sie sich
auch mit normativen und ethischen Fragen auseinander, die z. B. den Zugriff auf
personenbezogene Daten oder den Umgang mit dem Urheberrecht betreffen. Aus der
Kenntnis der Wirkungen des Einsatzes von Informatiksystemen auf Individuum und
Gesellschaft heraus sollen sie Kriterien für menschengerechte Technikgestaltung
und deren sozialverträglichen Einsatz entwickeln können. Überhöhten Erwartungen
an das Machbare sollen sie ebenso entgegentreten wie fatalistischen
Einstellungen des Ausgeliefertseins gegenüber Informatiksystemen.
3. Kompetenzen
Mit diesen fachlich begründeten
Leitlinien werden Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler fokussiert, die in
unserer gegenwärtigen und auch absehbar künftigen Informations- und
Wissensgesellschaft unverzichtbar sind und damit eine wesentliche Grundlage heutiger
Allgemeinbildung darstellen. Dies sind vor allem Fach-, Methoden-, Sozial- und
Selbstkompetenz.
Fachkompetenz
Fachkompetenz erlangen die Schülerinnen
und Schüler, indem sie sich fachbezogenes und fachübergreifendes Wissen sowie
die Fähigkeit aneignen, erworbenes Wissen zu verknüpfen, zu vertiefen, kritisch
zu prüfen sowie in Handlungszusammenhängen anzuwenden. Sie erfordert
grundlegende Kenntnisse von Prinzipien und Methoden der Wissenschaft
Informatik.
Methodenkompetenz
Methodenkompetenz ermöglicht es den
Schülerinnen und Schülern, Information zu beschaffen, zu strukturieren, zu
bearbeiten, aufzubewahren und wiederzuverwenden, darzustellen, die maschinell
erstellten Ergebnisse richtig zu interpretieren, zu bewerten und in geeigneter
Form zu präsentieren. Dazu sind Lernstrategien zu entwickeln, Probleme zu
erkennen und zu analysieren sowie flexibel unterschiedliche Lösungswege zu
entwickeln, zu erproben und situationsgerecht anzuwenden.
Sozialkompetenz
Sozialkompetenz meint die Fähigkeit,
miteinander zu lernen, zu arbeiten und zu leben, also den anderen Menschen
wahrzunehmen, mit ihm zu kommunizieren und selbst als Mitglied einer
Lehr-Lern-Gruppe Verantwortung zu übernehmen, andere Meinungen und
Werthaltungen zu ertragen und die Bereitschaft, Konflikte mit anderen friedlich
zu lösen. Sie wird in der Informations- und Wissensgesellschaft mehr und mehr
zur Voraussetzung erfolgreichen Lernens und Arbeitens, denn komplexe
Problemstellungen erfordern in zunehmendem Maße fachbezogene und
fächerübergreifende Zusammenarbeit. Das erfordert, Gruppenprozesse zu planen
und mitzugestalten, Kritik entgegenzunehmen bzw. konstruktiv formulieren zu
können, einen Arbeitsrollenwechsel zu erleben und akzeptieren zu können,
Flexibilität zur Überwindung von Sackgassen, die Fähigkeit zur Improvisation, Entscheidungsfähigkeit,
die Fähigkeit zur Selbsteinschätzung, Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit,
sowie die Fähigkeit zur Konfliktlösung, Flexibilität und Mobilität im Denken
und Handeln, Solidarität und Verantwortung für andere werden zu Schlüsselqualifikationen.
Die zunehmende Globalisierung durch vernetzte Informatiksysteme führt zum
Lernen und zur Arbeit in internationalen und multikulturellen Gruppen und
erfordert kulturelles Verständnis und Toleranz.
Selbstkompetenz
Selbstkompetenz ist die Fähigkeit, die
eigene Identität zu erarbeiten, zu erproben und zu bewahren. Sie entwickelt
sich durch das permanente Bemühen, mit eigenen Wünschen, Bedürfnissen, Stärken
und Schwächen, Misserfolgen und inneren Konflikten umzugehen, das eigene
Fühlen, Denken und Handeln zu reflektieren und dabei Leistungs- und
Anstrengungsbereitschaft zu stimulieren. Die Schülerinnen und Schüler erfahren
im Umgang mit Information und modernen Informatiksystemen eigene Kompetenz,
entdecken in Sachverhalten und Lehr-Lern-Prozessen persönlich bedeutsame Werte
und konstituieren dabei nachhaltig individuelle Neigungen, spezifische
Begabungen und Interessen.
4. Schulstufen
Primarstufe (1–4)
Die erste Begegnung mit
Informatiksystemen in der Primarstufe muss pädagogisch und fachlich sehr behutsam
und verantwortungsbewusst gestaltet werden. Zunächst intuitiv – aber fachlich
korrekt – sollten im vorfachlichen Unterricht beim Einsatz interaktiver
Informatiksysteme als Werkzeug und Medium sowohl erste Grundfertigkeiten im
Umgang mit Informatiksystemen erworben als auch, dem Alter der Schülerinnen und
Schüler angemessen, erste Grundkenntnisse dazu vermittelt werden. Anhand
altersgerechter Problemstellungen aus ihrer Erfahrungswelt lernen die
Schülerinnen und Schüler die Aufgaben der wichtigsten Systemkomponenten und
Funktionen eines Informatiksystems kennen, entwickeln Grundfertigkeiten bei der
Benutzung von Tastatur und Maus, gewinnen Sicherheit in der Bedienung von
typischen Funktionen eines Informatiksystems (z. B. Starten und Beenden von
Programmen, Laden, Speichern und Ausdrucken von Dokumenten) und sammeln erste
Erfahrung bei der Nutzung von Informatiksystemen im Unterricht (z. B.
Lernprogramme, Internetdienste). Die Handhabung und Bedienung einzelner
Systemkomponenten sind dabei nie unterrichtlicher Selbstzweck, sondern ergeben
sich aus dem funktionalen Einsatz der Anwendungen zur Lösung konkreter
Aufgaben.
Nur durch eine derart frühe schulische
Verankerung erster informatischer Inhalte kann sozialen und
geschlechtsspezifischen Benachteiligungen vorgebeugt und damit die
Chancengleichheit für alle Schülerinnen und Schüler gewahrt werden.
Sekundarstufe I (5–10)
Informatik ist in diesen
Jahrgangsstufen möglichst früh und durchgehend als eigenständiges
Unterrichtsfach im Pflichtkanon anzubieten, um bei allen Schülerinnen und
Schülern rechtzeitig Fach-, Methoden-, Sozial- und Selbstkompetenz im Umgang
mit Information, insbesondere digital dargestellter, sowie mit
Informatiksystemen auszuprägen. Damit wird auch rechtzeitig die für den Einsatz
interaktiver Informatiksysteme als Werkzeug und Medium in den anderen Fächern
notwendige Handlungskompetenz geschaffen. Bei der Gestaltung des Unterrichts
sollen die Vorleistungen aus dem vorfachlichen Unterricht Beachtung finden.
Unterrichtsinhalte und Unterrichtsgestaltung sind so auszuwählen, dass bei den
Lernenden das Interesse an der Informatik geweckt, entwickelt und gefördert
wird.
Diese Stufe leistet den entscheidenden
Beitrag zur informatischen Allgemeinbildung aller Schülerinnen und Schüler
aller Schularten. Der Informatikunterricht als Kern der informatischen Bildung
hat dabei vor allem die Aufgabe, die Alltagserfahrungen und Vorkenntnisse in
einen fachlichen Kontext einzuordnen. Er dient der Darstellung und
Systematisierung von Begriffen und Grundzusammenhängen der Informatik sowie der
Vervollständigung von Kenntnissen und Einsichten zu grundlegendem
Allgemeinwissen für eine künftige Informations- und Wissensgesellschaft. Auch
die Sensibilisierung für Datenschutz und Datensicherheit gehört zu den vordringlichen
Aufgaben des Informatikunterrichts in dieser Schulstufe.
Auf den ersten Erfahrungen aufbauend
kann ein altersgemäßes Objektmodell helfen, eine Vielzahl von Phänomenen im
Zusammenhang mit Informatiksystemen zu verstehen und zu systematisieren: Bei
der Gestaltung von Grafiken und Texten lassen sich Objekte identifizieren, ihre
Eigenschaften benennen, Zusammenhänge aufspüren sowie mögliche Operationen
analysieren. Bei der Produktion von Hypertextstrukturen lernen die Schülerinnen
und Schüler, inhaltliche Zusammenhänge auf Verbindungen zwischen Dokumenten
abzubilden. Bei der Beschäftigung mit E-Mail-Systemen werden ihnen, altersgemäß
vereinfacht, die Stationen einer Datenreise durch das Internet und die
Notwendigkeit besonderer Höflichkeitsformen klar. Auch die Digitalisierung und
Kodierung von Information zu Daten, die Automatisierung der Verarbeitung
solcher Daten, die Strukturierung umfangreicher Datenbestände mit Hilfe von
Ordnern sind in dieser Altersstufe zu erlernen.
Die problembezogene Auswahl, Benutzung,
Analyse, Gestaltung, Konstruktion und Bewertung geeigneter Anwendungssysteme
führt zum Aneignen und Vertiefen informatischer Kenntnisse über Aufbau,
Arbeitsweise und Klassifikation typischer Informatiksysteme und einer darauf
aufbauenden soliden Handlungs- und Beurteilungskompetenz.
Der Modellierung von Anwendungssystemen
kommt dabei im Hinblick auf ein tieferes Verständnis und eine systematische
Vorgehensweise eine besondere Bedeutung zu. In der Anwendung auf konkrete
Problemstellungen eignen sich die Schülerinnen und Schüler ausgewählte
Prinzipien, Methoden und Werkzeuge für das informatische Modellieren an und
lernen verschiedene Problemlösestrategien kennen.
Bei der Simulation der erarbeiteten
Modelle erhalten die Schülerinnen und Schüler einen Einblick in die
Programmierung. Sie lernen die zur Lösung der Aufgabe erforderlichen Elemente
der jeweiligen Programmiersprache sowie das zugrundeliegende
Programmierparadigma kennen.
Zu keinem Zeitpunkt dürfen jedoch
Unterweisungen in der Benutzung einer bestimmten Anwendung oder die Eigenheiten
einer bestimmten Programmiersprache (im Sinne von Produktschulungen) im
Mittelpunkt des Informatikunterrichts stehen. Die benutzten Anwendungen und
Programmiersprachen sind immer exemplarisch Werkzeuge zur Vermittlung von
Inhalten der Informatik, zum Erlernen der Arbeitsmethodik des Faches und zum
Beurteilen des Einsatzes der jeweiligen Systeme.
Die Anwendung von Werkzeugen und
Methoden erlaubt bereits in dieser Altersstufe, eigene Ideen auszuarbeiten und
Konzepte zu publizieren und weltweit zu diskutieren.
Sekundarstufe II (11–12/13)
Aufbauend auf dem Pflichtunterricht im
Fach Informatik können sich diejenigen Schülerinnen und Schüler, die Grund-
oder Leistungskurse in Informatik belegen, typische Denk- und Arbeitsweisen der
Informatik vertiefend aneignen. Während der Bearbeitung größerer Projekte
lernen sie, in der Fachsprache zu argumentieren, Basiskonzepte der Informatik
zu erläutern und Gestaltungsaufgaben zu beschreiben. Außerdem sollen sie sich
zusätzlich formale Konzepte der Informatik aneignen, um damit komplexe
Anwendungen und Aufgaben zu analysieren. Die Anwendung der Fachsprache zielt
insbesondere auf das in dieser Altersstufe vorhandene Abstraktionsvermögen und
erwartet von den Schülerinnen und Schülern Interpretationen und Begründungen
von Gesetzmäßigkeiten der Informatik.
Die Schülerinnen und Schüler eignen
sich die Basiskonzepte ausgewählter Informatiksysteme durch Anwendung, Analyse,
Modifikation und Bewertung an. Die Aufgaben eines Betriebssystems bei der
Verwaltung von Betriebsmitteln werden modellhaft skizziert. Rechnernetze und
verteilte Systeme werden durch geeignete Modelle (Schichtenmodell, Protokolle,
Adressierung) charakterisiert und auf schultypische Aufgabenstellungen
angewandt. Die Struktur und Funktionsweise von Rechnern wird ausgehend vom
von-Neumann-Modell verallgemeinert.
Mit Hilfe formaler Konzepte der
Informatik wird geklärt, welche Struktur Probleme besitzen müssen, damit sie
mit Informatiksystemen prinzipiell oder tatsächlich lösbar sind. Die Begriffe “berechenbar”,
“entscheidbar” und “akzeptierbar” werden von der naiven Einführung bis zur
modellbasierten Definition systematisch aufgebaut. Die Transformation einer
Problembeschreibung in eine andere kann demonstriert werden, um die Einordnung
unbekannter Probleme in bekannte Klassen zu ermöglichen. Ausgewählte
theoretische Konzepte und Komplexitätsbetrachtungen und Konzepte der
Software-Ergonomie fördern die Fähigkeit der Schülerinnen und Schüler zur
Bewertung von Aufgabenlösungen.
Das Aufzeigen der Struktur eines
Problems durch Modellierung führt zum geeigneten Lösungsmodell. In das
informatische Modellieren wird mit den Phasen Problemgewinnung, informelle
Problembeschreibung, formale Modellierung, Realisierung von Lösungsansätzen und
Bewertung eingeführt. Verschiedene Modellierungsverfahren gehören dabei zu
verschiedenen Problemlösestrategien. Die Schülerinnen und Schüler vertiefen
ihre Kenntnisse und Fähigkeiten an ausgewählten Prinzipien, Methoden und
Werkzeugen für die Simulation der Modelle durch Programme oder andere geeignete
Mittel.
5. Konsequenzen
Verankerung im Fächerkanon
Bereits in den Jahrgangsstufen 1-4
müssen Informatiksysteme ziel- und handlungsorientiert als Werkzeug und Medium
im Unterricht eingesetzt werden, um zunächst intuitiv sowohl erste
Grundfertigkeiten im Umgang mit Informatiksystemen als auch, dem Alter der
Schüler angemessen, erste Grundkenntnisse dazu als Vorleistungen für den
späteren Informatikunterricht zu vermitteln.
In der Sekundarstufe I, mindestens ab
Jahrgangsstufe 6, benötigt die informatische Bildung ein eigenständiges
Unterrichtsfach Informatik im Pflichtkanon. Nur so kann sichergestellt werden,
dass Informatik ebenso wir alle anderen wichtigen Fächer gemäß dem
Fachlehrerprinzip von Lehrerinnen und Lehrern mit erster und zweiter
Staatsprüfung in diesem Fach unterrichtet wird. Auch die notwendige
Einsatzbereitschaft der Schülerinnen und Schüler kann nur in einem Pflichtfach
erwartet werden.
In der Sekundarstufe II ist der
bisherige geringe Stellenwert des Faches Informatik umgehend zu korrigieren. Es
muss künftig mit gleichem Gewicht wie die anderen Fächer in der Sekundarstufe
II etabliert und in der Abiturprüfung gleichberechtigt zu den Naturwissenschaften
eingebracht und als Prüfungsfach gewählt werden können. Die Aufnahme in die
"Vereinbarung zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe in der
Sekundarstufe II" (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 07.07.1972 i.
d. F. vom 22.10.1999) bildet die Voraussetzung dafür.
Lehrerbildung
In allen Bundesländern muss der
Lehramtsstudiengang Informatik für die Sekundarstufen I und II als eines von
zwei Fächern wählbar sein.
Für die Ausbildung in der 2. Phase sind
an den Studienseminaren eine ausreichende Anzahl von Fachseminare für
Informatik einzurichten.
Die Lehrerweiterbildung für in der
Praxis tätige Lehrerinnen und -lehrer zu Informatiklehrkräften hat sich sowohl
in ihren Ansprüchen als auch hinsichtlich eines qualifizierenden Abschlusses an
den grundständigen Lehramtsstudiengängen Informatik zu orientieren und analoge
fachdidaktische Anteile aufzuweisen.
Für Informatiklehrkräfte sind
kontinuierlich berufsbegleitende Fortbildungen anzubieten.
Für Lehramtsstudierende aller Fächer
sollte in der ersten Phase ihrer Ausbildung eine “Einführung in die Informatik
für Lehrerinnen und Lehrer” als informatische Grundbildung einschließlich
Praktika verpflichtend sein, die mit einem Zertifikat abgeschlossen wird. In
den Fachdidaktiken und in der zweiten Phase der Lehrerausbildung ist diese zu
vertiefen.
Für in der Praxis tätige Lehrerinnen
und Lehrer aller Fächer müssen analoge berufsbegleitende Fortbildungen zum
Erwerb dieser informatischen Grundbildung angeboten werden.
Technische Infrastruktur und Unterrichtsmittel
Der praktische Umgang mit Informatiksystemen
zwingt die Schulen zur Einrichtung und Wartung moderner und hoch komplexer
Rechnernetze, deren sehr arbeitsaufwändige Betreuung sich in zwei
Aufgabengruppen gliedert:
Erarbeitung pädagogischer Konzepte sowie Entwurf
und ständige Weiterentwicklung eines Schulnetzes
Diese Aufgaben sind den Leitungstätigkeiten in einer Schule zuzuordnen und
müssen von qualifizierten Lehrkräften geleistet werden, die im Schulbetrieb
integriert und regelmäßig an der Schule präsent sind. Die dafür eingesetzten
Lehrkräfte müssen die Möglichkeit zu regelmäßiger Fortbildung erhalten und
entsprechend entlastet werden.
Durchführung regelmäßig anfallender
Administrations-, Installations- und Wartungsarbeiten
Diese Arbeiten müssen von ausgebildeten Netzwerktechnikern übernommen werden,
da sie nicht zum Aufgabenbereich der Pädagogen gehören.
Die personelle Absicherung dieser
Aufgaben ist eine notwendige Voraussetzung für die langfristige Verfügbarkeit
und Verlässlichkeit schulischer Informatiksysteme.
Es sind schulspezifische Informations-
und Kommunikationssysteme zu entwickeln, die auf einem Intranet basieren und
den Lehrenden und Lernenden auch den Zugang von zu Hause erlauben.
Robuste pädagogische Software und
informatische Unterrichtsmittel sind so zu entwickeln, dass sie den
unterschiedlichen Aufgabenbereichen und Altersstufen gerecht werden.
Unterrichtsbeispiele
Aufgrund der mangelnden allgemeinen
Unterrichtstradition eines Pflichtfaches Informatik im Bereich der
Sekundarstufe I werden Aussagen zur informatischen Bildung häufig sehr
unterschiedlich interpretiert. Deshalb folgt auf diese Empfehlungen in Kürze
eine Reihe von konkreten, detailliert ausgearbeiteten Unterrichtsbeispielen zu
ihrer Illustration und Präzisierung, die derzeit von erfahrenen Lehrkräften aus
der Fachgruppe 7.3.1. (“Informatiklehrerinnen und -lehrer”, siehe http://ddi.in.tum.de/fachgruppe) der
Gesellschaft für Informatik erarbeitet werden.